Bleigießen
Bleigießen – das Ende einer Tradition
In Deutschland gehört Bleigießen seit Jahrzehnten zum Silvesterabend im Kreise der Familie oder Freunde dazu. Man lässt das alte Jahr mit einem wahrsagerischen Blick in die Zukunft ausklingen und verkürzt mit dem Deuten der gegossenen Figuren die Wartezeit bis Mitternacht. Doch seit 2018 ist der Verkauf von Bleigieß-Sets in der EU verboten, da die Grenzwerte des Schwermetalls Blei deutlich überstiegen wurden.
Muss man ab kommendem Silvester also komplett auf den lustigen Brauch verzichten? Die Antwort lautet „Nein“! Wachsgießen ist eine gute Alternative zum gesundheitsschädlichen Blei – so können Sie auch weiterhin zukunftsträchtige Schicksale deuten und mit guten Vorsätzen ins neue Jahr starten.
Woher kommt eigentlich die Tradition des Bleigießens?
Im Altertum war das Bleigießen als „Molybdomantie“ bekannt. Der Begriff lässt sich aus dem Griechischen herleiten und bedeutet soviel wie „Blei“ und „Wahrsagung“. Überlieferungen erzählen, dass der Brauch bereits von den alten Römern genutzt wurde und ihn an die Germanen weitergaben. So hat sich die Weissagung weiterverbreitet und als Silvester-Ritual Einzug in unsere Wohnzimmer gehalten.
Die Anzahl der Bedeutungen ist vielfältig und unendlich: So steht ein Ei für Familienzuwachs, die Gitarre für geheime Sehnsüchte oder das Herz für die Liebe. Neue Freundschaften weist eine Blume und das Reh bedeutet Glück im neuen Jahr, während die Schlange Neid voraussagt. Es gibt auch die Möglichkeit, die Bedeutung von Bleigießen und Wachsgießen in eine Richtung zu lenken. Soll beispielsweise eine Ja-Nein-Frage beantwortet werden, so kann eine zackige Form der Figur für „ja“ stehen, eine runde Form beantwortet die Frage mit „nein“. Trotz der Subjektivität gehört das Bleigießen zur Tradition und sucht nun nach einem stolzen Vertreter.
Verbot der Tradition zum Neujahr 2018
Der Grund für das Verbot von Bleigießen lag in der neuen Chemikalienverordnung der Europäischen Union, die im Januar 2017 in Kraft trat. Bei der neuen EU-Richtlinie wurden die Grenzwerte für im Handel erhältliche Produkte mit Blei auf 0,3 % herabgesetzt. Bei einem Test der Stiftung Warentest im Jahr 2012 lag der Bleigehalt sogar bei 71 %! Laut Herstellerangaben wurden teilweise noch höhere Bleiwerte gemessen.
Gesundheitsschädigendes Blei – die Gefahr muss ernstgenommen werden
Die Aufnahme von Blei in den Körper – sei es über die Atemwege beim Erhitzen des Schwermetalls oder beim Anfassen der Bleifiguren – ist höchstgefährlich. Beim Erhitzen des Schwermetalls werden giftige Bleioxide an die Umgebung abgegeben. Schon kleinste Mengen können die Gesundheit Ihres Nervensystems, Hirns, Ihrer Niere und Leber schädigen. Besonders Kleinkinder und Babys sollten mit dem giftigen Material nicht in Berührung kommen. Studien zeigen, dass selbst sehr geringe Mengen oder gar Dämpfe die Aufmerksamkeit, Reaktion und Intelligenz von Kindern und Säuglingen beeinträchtigen können. Sogar im Mutterleib sind die Auswirkungen zu erkennen.
Doch nicht nur die giftigen Dämpfe in der Luft und das feste Material sind gesundheitsschädlich. Das Schwermetall hat einen hohen Schmelzpunkt, weshalb es beim Erhitzen besonders heiß wird. Wird das flüssige Blei in kaltes Wasser gegeben und das Metall spritzt, können dabei schwere Brandwunden entstehen.
Bei all diesen Gefahren steigt man gerne um auf eine ungefährliche Alternative, stimmt’s?
Wachsgießen: Was kann man sich darunter vorstellen?
Das Wachs, das zum Gießen der traditionellen Figuren verwendet wird, ist silber eingefärbt und ähnelt somit optisch dem Blei. Wachsgießen funktioniert dabei genauso wie das Bleigießen. Die Figuren im Set werden auf den zugehörigen Löffel gelegt und über einer Kerze erhitzt, bis das Wachs flüssig ist. Ist es soweit, wird das flüssige Wachs in eine Schale mit kaltem Wasser vorsichtig hineingeschüttet. Da Wachs nicht so stabil wie Blei ist, muss man die entstandene Form besonders vorsichtig aus dem Wasser nehmen. Nun wird die Figur vor eine Lampe gehalten, damit der Schatten auf eine weiße Wand geworfen wird. In der Runde wird analysiert und interpretiert, um die entsprechende Bedeutung des Wachsgießens zu definieren. Dabei helfen auch die Bedeutungen, die auf der Rückseite des Sets hinterlegt sind – und natürlich immer das subjektive Empfinden.
Wachsgießen selber machen
Der große Vorteil des Wachsgießen ist, dass man es ganz leicht selbst vorbereiten kann. Einfach alte Kerzen oder Wachsreste in kleine Stückchen zerteilen und auf einem Teller für die Gäste anordnen. Wer schöne Figuren zur Auswahl bereitstellen möchte, kann die Wachsreste in einer Konservendose in warmem Wasser erwärmen, in eine Pralinenform aus Plastik geben und auskühlen lassen. So lassen sich Wachsfiguren in verschiedenen Farben und Formen anfertigen.
Weitere Alternativen zum Bleigießen
Neben dem Wachsgießen können auch andere Materialien zum Orakeln genutzt werden. Ein weiteres Metall ist Zinn. Es hat einen niedrigeren Schmelzpunkt, wird deshalb nicht so heiß und ist ungiftig. Wer also auf das silberne Glitzern nicht verzichten möchten, sollte zum Zinngießen übergehen.
Eine andere Möglichkeit, die garantiert ungiftig und sogar noch lecker ist: Teiggießen. Als Nachspeise zur mitternächtlichen Gulaschsuppe oder zum Chili passt ein süßer Pfannkuchen perfekt. Als Orakel dient beim Teiggießen Pfannkuchenteig. Dieser wird mit einem kleinen Schöpflöffel oder einem Esslöffel in eine mit Öl erhitzte Pfanne gegeben. Die dadurch entstandene Figur wird anschließend wie gewohnt analysiert, interpretiert – und gegessen.
Der Begriff des Bleigießens wird wohl niemals aus unserem Gedächtnis verschwinden. So wird wohl auch das Wachsgießen, Zinngießen, Teiggießen und Co. weiterhin als traditionelles Bleigießen unseren Silvester-Abend vervollständigen.